Das Leben mit einem chronisch kranken Kind

Guten Morgen 😃 

 

Vor vier Jahren war von heute auf morgen alles anders. Wir haben für unseren Sohn, der heute 5 Jahre alt ist, die Diagnose Kinderrheuma erhalten. Nur etwa 20.000 Kinder sind in Deutschland von dieser Krankheit betroffen. Es gibt keine Medikamente für die Behandlung der Krankheit, man kann nur die Schmerzen lindern. Von einem Tag auf den Anderen veränderte sich das komplette Leben für uns und den kleinen Mann. 

 

Erkläre einem Kind: du darfst nicht hüpfen, du darfst nicht klettern und am besten, sitzt du nur herum und versuchst kein Kind zu sein. 

 

Wochenlange Aufenthalte im Krankenhaus, zahllose Forschungen und ein Martyrium an Untersuchungen. Was bedeutet diese Krankheit? Es entzünden sich Gelenke und oftmals mehrere gleichzeitig und dass, wenn die Kinder erkältet waren oder sind. Das ist sozusagen die Schwachstelle im Immunsystem. Das heißt für Noel, nicht gehen, sich kaum bewegen können und unfassbar Schmerzen ertragen zu müssen bis hin zu einer OP in der die Flüssigkeit aus den Gelenken punktiert wird.

 

Wir alle sind mit dieser Situation nun groß geworden und auch daran gewachsen. Auch unser Sohn weiß inzwischen was diese Krankheit bedeutet. Es ist unfassbar traurig, wenn dein Kind dir sagt: „wenn ich groß bin, werde ich Fußballer“ und du als Mutter weißt, das wird wahrscheinlich niemals der Fall sein. Die Gelenke werden extrem angegriffen, dass man mit so einer Vorbelastung, kein Profi Sportler wird. Dennoch bestärkst du ihn in seiner Phantasie und seinem Glauben.

 

Allerdings war der Weg, bis zur eigentlichen Diagnose der Schlimmste. Acht Mal sind wir mit ihm in verschiedene Kinderkliniken rund um Köln und Bonn gefahren, um herauszufinden was mit ihm tatsächlich los war. Wir wurden dann endlich eine Woche stationär eingewiesen, um gezielter nach dem Ausschlussverfahren die Ursache für Schmerzen zu ermitteln. Leider ohne Ergebnis. Man sagte uns, es sei vielleicht ein Hüftschnupfen. Nach dem Aufenthalt, kamen die Schmerzen und das Fieber natürlich direkt wieder zurück.

 

Ich fuhr erneut mit ihm ins Krankenhaus und habe dort einen derartigen Tobsuchtsanfall gehabt und geschrien: „Ich gehe hier erst wieder raus, wenn sie mir sagen was mein Kind wirklich hat?!“ Als mich in meiner Hilflosigkeit die Oberärztin im Flur schreien hörte, kam sie zu mir und nahm die Sache endlich in die Hand. Sie fragte, was bis dahin alles untersucht worden war und beauftragte die Stationsärzte damit, der Reihe nach Untersuchungen durchzuführen und wies uns wieder stationär ein. Also ging für uns das Spiel von vorne los. Dachte ich zumindest. 

 

Nach zwei Tagen kam ein mehrköpfiges Ärzteteam in unser Zimmer und sagte, dass alle Befunde in Ordnung waren. Ich weiß man versteht es nicht aber ich war in dem Moment sehr wütend. Ich höre es ist alles in Ordnung, aber mein Kind hat Schmerzen hohes Fieber und kann nicht laufen. 

 

Die sympathische Oberärztin sagte: „haben sie gehört? Ihr Kind hat nichts Schlimmes“. Heute weiß ich, dass sie lebensbedrohliche Krankheiten ausgeschlossen haben. Und im Nachhinein bin ich mehr als Glücklich über diese Tatsache und die ersten Ergebnisse, denn ich habe während des Aufenthalts Kinder kennengelernt die weitaus furchtbareren Krankheiten ertragen mussten. Die Stärke dieser kleinen Mäuse haben mich oft sprachlos gemacht.

 

Ich sagte: „Ja das ist großartig aber was hat er denn?“ Das konnten sie mir immer noch nicht sagen. Ich war einfach an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr weiter wusste - ich wollte nur wissen, was genau bei ihm dieses Leiden verursacht. Also wurde der Rheuma Faktor untersucht. Und auch dieser war negativ. Aber nur, weil der Test negativ ist, heißt es nicht, dass man kein Rheuma hat.

 

Als wir wochenlang im Krankenhaus waren und Noel mit mehreren Medikamenten behandelt und eingestellt wurde, kam dann die Hoffnung. Ein Medikament das Naproxen heißt, linderte die Schmerzen und das Fieber sank. Nun hatten wir die Gewissheit. Wenn man über einen längeren Zeitraum eine Gelenkentzündung hat, spricht man von Rheuma. Diese Krankheit ist nicht gerade sehr weit erforscht bei Kindern, denn es sind einfach zu Wenige betroffen und die Eltern möchten natürlich ihre Kinder nicht in irgendwelche Studien packen. Und da es so wenig Fälle im Vergleich zu anderen Krankheiten gibt, hinkt die Forschung hinterher. So traurig es klingt, aber die Pharmakonzerne können nicht genug Geld daran verdienen. 

Nach einer derartigen Diagnose, fällt man in ein tiefes Loch. Ich stellte mir die Fragen: „Wie sollen wir damit umgehen? Wie wird er damit umgehen? Werde ich weiterhin arbeiten gehen können? Kann er eine normale unbeschwerte Kindheit führen? Werde ich irgendwann eine Spielplatz Mutti!?“

 

Doch nachdem wir, für uns einen Weg gefunden hatten, wie wir damit umgehen und er medikamentös einstellt war, hatten wir die Krankheit endlich im Griff und sind in unsere Rolle hineingewachsen.

 

Erstaunlicherweise ist mein Sohn Noel mit der Krankheit größer geworden und kennt sie und weiß auch wie er sich zu verhalten hat, wenn er mal wieder einen Schub bekommt. Seien wir mal ehrlich, er kennt es auch nicht anders. 

 

Es ist ein unfassbar furchtbares Bild für eine Mutter, wenn das eigene Kind von heute auf morgen nicht mehr laufen kann. Er fing in seiner Hilflosigkeit an wieder zu krabbeln oder humpelte. Aber ich bin heute der Meinung, dass ich ein viel größeres Problem damit hatte als mein Sohn. Denn ein Kind, geht damit unvoreingenommen um und das ist auch gut so. In meiner Verzweiflung war ich oftmals Hilflos und wütend. Aber mein Sohn baute mich, mit seiner positiven Art wieder auf und ich daraufhin ihn, wenn er mal wieder traurig war, dass er nicht auf den Spielplatz oder ins Schwimmbad durfte. Wir haben uns gegenseitig bestärkt und unterstützt. 

 

Denn irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem wir die chronische Erkrankung akzeptieren mussten und einen Weg finden mussten, mit seiner Krankheit Freude am Leben zu haben. 

 

Die Schübe sind über die Jahre hinweg weniger geworden, doch wenn sie dann kommen, sind sie umso heftiger. Die Gelenke wurden öfters unter Narkose punktiert, um die Flüssigkeit herauszuziehen und dann hieß es wieder einmal - nicht laufen, nicht hüpfen. In dieser Zeit leben wir gewissenhafter. Wir verbringen mehr Zeit zu Hause und ein Schub zwingt uns sozusagen - diese Momente, wesentlich intensiver gemeinsam zu verbringen. Wir spielen viel mehr Spiele und basteln, wir versuchen, diesen Schub auszusitzen und ihr mit Freude, den Kampf anzusagen.

 

Ich wollte mit meinem Blogbeitrag auf das Thema aufmerksam machen, weil diese Krankheit nicht so im Fokus der Öffentlichkeit steht und ich Eltern die betroffen sind, gerne Mut machen möchte. Es wird immer Phasen geben, die einen runterziehen und wo man einfach am Rande der Hilflosigkeit steht. Aber man muss die Ärmel hoch Krempeln und nach vorne schauen. Und man sollte vielleicht auch nicht gleich mit der ersten Diagnose zufrieden sein und sich weiteren Rat holen.

 

Ich versuche für mich diese Zeit einfach anders zu nutzen und Noel diese Zeit anders und besonders schön zu gestalten. Denn Zeit ist etwas, dass sich niemand kaufen kann, egal wie reich er ist. Wir sollten alle etwas bewusster mit unserer Zeit umgehen, da sie das Wertvollste in unserem Leben ist! 

 

9 Kommentare

  • Liebe Aneta,
    per Zufall hab ich deinen Blog, deinen Beitrag gelesen. Meine Tochter hat das selbe Leiden. Ich möchte eine Studie darüber machen um unseren Kindern zu helfen – gesund zu werden. Bitte melde dich per Mail.
    Liebe Grüße

    Maria
  • Hallo Aneta! Sehr interessant, was du hier beschrieben hast. Wir haben da sehr ähnliche Erfahrungen gemacht. Unser Sohn hat seit seinem 2. Lebensjahr Sklerodermie vom Typ en Coup de sabre, dies zählt ebenso zu den rheumatischen Erkrankungen. Zu Beginn hatte er einen roten Fleck auf der Stirn, im Winter. Da machte ich mir noch keine Gedanken drum. Zum Frühjahr wurde der Fleck ledig-weiß und unser Kinderarzt meinte, die Stelle wäre wohl anders durchblutet. Ich habe dann versucht, einen Termin bei einem Hautarzt zu bekommen, was nicht so einfach war hier in Hannover. Im Sommer stellte dieser dann die Diagnose. Wir sollten uns schnellst möglich in der medizinischen Hochschule melden. Dort setzte man uns auf eine Warteliste…
    Parallel suchte ich einem Kinderrheumatologen, welchen ich dann auch mit Hilfe unserer Krankenkasse kurz vor Braunschweig fand. Dieser bestätigte die Diagnose und empfahl uns aufgrund der Seltenheit der Erkrankung einen Spezialisten hinzu zu ziehen. So kamen wir zu Dr. Foeldvari noch Hamburg.
    Unser Sohn ist mittlerweile 8 Jahre alt und seit dem spritzen wir einmal wöchentlich Metex. Die Gelenke sind bisher nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, allerdings hat er durch die permanente Endzündung auf der Stirn eine große Narbe, daher auch der Name der Erkrankung. Ebenfalls ist das Knochenwachstum an der Stelle eingeschränkt, sodass dort eine Delle entstanden ist. Diese wird aktuell in Abständen mit Eigenfett unterspritzt.
    Wir haben uns, sogut es eben geht, mit der Krankheit arrangiert und fühlen uns bei Dr. Foeldvari auch super gut aufgehoben. Du siehst, ihr seid mit der Krankheit nicht allein, so selten es bei Kinder auch auftritt.
    Ich wünsche eurem Sohn alles Gute für den weiteren Verlauf! Was ich hier so von Dir gesehen habe, bist Du eine starke Frau, Du schaffst das auch!
    Viele liebe Grüße aus der Nähe von Hannover,
    Andrea

    Andrea Hasler
  • Liebe Aneta, mein Sohn Max leidet seit 26 Jahren an einer sehr aggressiven Form der Juvenilen Arthritis. Ich weiß genau, was in dir und deinem Sohn vor sich geht. Falls du Hilfe oder Unterstützung brauchst bin ich gerne für dich da. Alles Liebe und die besten Wünsche.

    Heike Krummeck
  • Liebe Aneta
    Ich habe mir gerade die Zeit genommen und deinen Beitrag gelesen. Ich kann sich sehr gut verstehen. Auch wir sind in einer ähnlichen Situation. Unser Sohn hat das Asperger Syndrom. Leider ist es nicht möglich das unser Sohn eine Regelschule besucht. Die nächste passande Schule ist so weit enfernt das unser Sohn seit seinem 7. Lebensjahr auf ein Internat geht. Es war für uns alle eine sehr schwere Zeit und auch ich muss immer weinen wenn ich darüber rede. Er ist doch noch so jung und ganz ohne Eltern. Auch für seine 3 Schwestern ist es nicht einfach ”ohne ” ihren Bruder. Er ist jetzt seit ca. einem Jahr dort und er fühlt sich dort sehr wohl. Ich traue mich oft nicht zu jammern denn er hat ja keine Schmerzen und er kann Leben. Aber was ich auch sehe, wie solche Kinder viel zu schnell vernünftig sein sollen. Was unser Sohn mit seinen 8 Jahren so meistert sollte ein Kind in dem Alter noch nicht beschäftigen. Sie sollten sich frei und unbeschwert fühlen. Wir versuchen immer wieder solche Situationen für unsere Kinder zu schaffen. Sie sollen eine Kindheit voller Abenteuer Erlensee dürfen.

    Vicky Mohr
  • Liebe Aneta….mir kamen die Tränen bei der Geschichte Deines Sohnes. Er ist so unglaublich tapfer und ich hoffe, dass vielleicht in den nächsten Jahren die Forschung weiter ist als heute und ihm doch noch geholfen werden kann.
    Ich wünsche Euch alles Liebe🖤
    …..ich kann Euer Leben zu 100% nachvollziehen, mein Ältester ist behindert und ich erkenne mich in vielen, von Dir beschriebenen Situationen, wieder.

    Martina

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